Waren Auswahl und Kauf des ersten Elektromobils noch relativ einfach, gestaltete sich die -bis zu dem Zeitpunkt eher stiefmütterlich behandelte- Planung einer häuslichen Lademöglichkeit um einiges komplizierter als gedacht. Eine derartige Planung hat zwei Komponenten: eine rechtliche und eine technische. 😒
Rechtlich sind zum Glück nicht alle Menschen betroffen. Für Einzel-, Reihen- und Doppelhäuser ist die Situation relativ einfach, da man auf seinem eigenen Grundstück im Prinzip machen kann, was man will. Es ging in diesem Fall jedoch um ein Mehrfamilienhaus - und damit um das Thema 'Gemeinschaftseigentum'. Das ist etwas komplexer, weiter unten mehr. Wer nicht betroffen ist, kann das überspringen übrigens und gleich zum technischen Teil gehen.
Rein technisch benötigt jeder, der zu Hause ein Elektrofahrzeug laden will, zwei Dinge: 1) Ein geeignetes Ladegerät und 2) eine geeignete Leitung mit 3) geeigneter Steckdose. Alle Komponenten müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Abstimmung ist eigentlich nicht besonders schwierig; man sollte sich aber im Vorwege klar sein, was man will.😎Zunächst aber zur Problemstellung im Mehrparteienhaus. Das noch aus dem Jahr 1951 stammende Wohneigentumsgesetz sah vor, dass bei baulichen Veränderungen (wie etwa eine Ladestation und deren Zuleitungen) grundsätzlich nur mit Einstimmigkeit in der Eigentümergemeinschaft beschlossen werden können. 😞Weil dies in der Praxis kaum je erreichbar wäre, hat der Gesetzgeber das WoEMoG (Wohneigentums-Modernisierungsgesetz, Link) beschlossen. Dieses trat am 01.12.2020 in Kraft.Im Prinzip steht da, dass (a) jeder Eigentümer und jeder Mieter (!) das Recht hat, auf eigene Kosten (!!) eine Ladeinfrastruktur legen zu lassen. Die Eigentümergemeinschaft kann aber (b) das Projekt an sich ziehen und mit einfacher Mehrheit eine Gemeinschaftslösung beschliessen. Sinn ist wohl, dass die ETG sich überlegen kann, ob jeder machen kann, was er will oder eine einheitliche Lösung besser ist. Falls die ETG jedoch keine Mehrheit für so eine Lösung zustande bringt, kann sie dem Eigentümer/Mieter die Installation nicht verbieten.
In jedem Fall ist hier ein zeitlicher Vorlauf einzuplanen, denn verschiedene Dinge sind noch nicht wirklich klar. Beispielsweise, wie viel Zeit die ETG hat, um einen Bescheid zu erteilen. Oder ob man Handwerker beauftragen muss, falls die ETG entsprechende Verträge mit Elektrikern hat. Oder, oder... man sieht, ganz so einfach dürfte das -speziell in älteren Gebäuden mit entsprechend alter Elektroausstattung- nicht sein.
Damit kommen wir zum technischen Teil. An dieser Stelle werden absichtlich nur Leistungen bis 11 kW beschrieben. Es sind noch höhere Leistungen möglich, aber auf der nächsten Stufe (22 kW) ist praktisch alles genehmigungspflichtig, während man bis 11 kW nur anzeigen muss. Daneben gibt es bisher fast keine Fahrzeuge, die das Laden mit 22 kW Wechselstrom unterstützen. Im Prinzip hat man drei Möglichkeiten, zu Hause ein Fahrzeug zu laden:
1) Mit der Schukosteckdose: der 'Not'lader (wegen seiner Form auch 'Ladeziegel' oder 'Schukolader' genannt) ist ein Ladegerät ähnlich denen für Laptops und passt an die normale Steckdose. Sie liegen manchen Elektrofahrzeugen serienmässig bei (vor allem denen mit kleineren Akkus) oder sind als Zusatzoption zu Preisen von etwa €150-€350 erhältlich. Sie enthalten eine komplexe Ladeelektronik, die Ladestand des Fahrzeuges, Temperatur des Kabels und andere Sicherheitsmerkmale beinhaltet. Ein solches Gerät liefert meist 1,7 - 2,3 kW, denn dies ist die Maximalleistung einer normalen Schukodose (230V x 10A). 2,3kW/2.300W klingt erst einmal nicht nach viel - etwa wie ein älterer Staubsauger. Allerdings sind oft weder Leitung noch Dose auf eine solche Dauerlast ausgerichtet, beide werden mit der Zeit heiss und fangen irgendwann an zu schmoren (und nein, die werden nie brennen, weil alle Materialien darauf ausgelegt sind, genau das zu vermeiden). Man kann -und sollte- daher eine spezielle Schukodose verwenden. Diese kosten etwa €50-100 und sind auf 16A abgesichert. Gleichzeitig steigt die mögliche Ladeleistung auf (230V x 16A) 3,7 kW, also über 50% mehr. Das macht aber nur Sinn, wenn man geeignete Leitungen hat (d.h. die einen genügend grossen Querschnitt haben) und mit einem Ladegerät, welches diese Leistung unterstützt. Sonst verlagert sich das Problem nur von der Dose auf die Leitung dahinter.
Hinweis: manche Fahrzeuge wie der VW ID.3 unterstützen per Bordsoftware die Reduzierung der Wechselstrom-Ladeleistung. Statt 2,3 kW werden dann nur noch etwa 1,5 kW geladen. Das schaffen auch schwächere Dosen und Leitungen ohne Probleme im Dauerbetrieb. Die Ladedauer verlängert sich dadurch natürlich entsprechend weiter. Wer regelmässig Standzeiten jenseits von 8 Stunden hat, kann das aber problemlos machen.
2) Eine Drehstromsteckdose mit Adapter: derartige Dosen (manchmal auch 'Kraftstrom' genannt) kennen die meisten vermutlich aus Industrieanwendungen (rot) oder vom Campingplatz (blau). Sie haben 5 Leiter und können maximal 3-phasig laden, wodurch sich die Ladeleistung drastisch erhöht: bis zu maximal 230V x 16A x 3 ergeben 11 kW (11.040W). Dazu kommt, dass sowohl Dose als auch Leitungen generell auf Dauernutzung vorbereitet sind. Daher ist diese Lösung dem Notlader vorzuziehen. Verkauft wird dafür eine 'mobile Wallbox', im Prinzip ein Ladeziegel für 380V. Die sind ebenfalls transportabel und haben normalerweise mehrere Adapter für die verschiedenen Dosen im Lieferumfang. Wer viel unterwegs ist, und/oder sogar bereits eine entsprechende Dose in der Garage hat, sollte sich das -trotz des höheren Preises von etwa €850 - €1.000 durchaus mal ansehen.Wie man im folgenden Bild sieht, ist meist auch ein Schukostecker (und damit der 'Ladeziegel') im Preis mit drin:
3) Die dritte Lösung ist eine (meist in/vor Garage oder Stellplatz) fest installierte Wallbox, die an der Wand hängt oder auf einem Standfuss steht. Sofern eine Kraftstromdose vorhanden ist, kann sie dort direkt angeschlossen werden. Diese liefert je nach Ausführung bis zu 22 kW, aber 11 kW ist Stand der Technik bei den Fahrzeugen. Daneben ist das auch genau die Stärke, mit der die Bundesregierung seit dem 24.11.2020 private (d.h. nicht-öffentliche) Wallboxen fördert (Link). Dies ist eine Lösung für Leute, die regelmässig zu Hause laden wollen und seltener zu weiter entfernten Zielen mit unbekannten Lademöglichkeiten fahren. Einfache Wallboxen gibt es ab etwa €500, man kann für mehr Komfort aber auch mehr ausgeben: Standfuss, Appsteuerung, zusätzliche Schukodosen oder Doppellader sind z.B. solche Erweiterungsmöglichkeiten:
Man sieht, dass Option 1) eine 'kleine' Lösung darstellt. Sie ist wirklich nur für Leute, die ein Fahrzeug mit kleinem Akku
oder längeren Standzeiten normalerweise zu Hause laden und darum nicht viel in die Infrastruktur
investieren wollen oder können. Obwohl auch öffentliche Ladesäulen oft (noch) einen Schukoanschluss haben, dürfte dieser in absehbarer Zeit aussterben, er ist ziemlich fehleranfällig und führt zu langen Belegungszeiten. Wer Bedenken hat, unterwegs stehen zu bleiben, sollte auf jeden Fall die mobile Wallbox dem Notlader vorziehen, auch wenn diese teurer ist.
Als letztes sei noch erwähnt, dass am 24.11.2020 ein Förderprogramm des Bundes startet. Gefördert werden private Ladepunkte an festen, intelligenten Wallboxen mit 11 kW Ladeleistung mit €900 pro Ladepunkt. Weitere Informationen finden sich hier. Wesentlich ist, dass die unter (1) und (2) stehenden Geräte nicht föderfähig sind (wegen ihrer Mobilität). Dafür bekommt man neben der Wallbox auch einen Teil der Installation erstattet. Es werden nur Wallboxen gefördert, die auf einer speziellen Liste stehen. Insgesamt sollen 200 Mio Euro zur Verfügung stehen, das reicht für etwa 220.000 Ladepunkte.
[Ergänzung Juni 2022]: Das Förderprogramm wurde mehrfach erhöht und verlängert, auf 800 Mio oder so, bis es Herbst 2021 auslief.
Weitere Links:
Youtube: 163 Grad, Basiswissen Elektroauto aufladen (Link)
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