Donnerstag, 3. Dezember 2020

Bienen Philosophie: Bienenhaltung ohne Imkerei oder Honig - ist das möglich?

Insgesamt hat die Imkerei in Deutschland nach langem Abstieg vor allem in den letzten 10 Jahren einen starken Aufschwung genommen (Link). Momentan halten etwa 150.000 Imker (von denen etwa 127.000 im DIB organisiert sind) geschätzt 1.000.000 Bienenvölker (Link). Beigetragen hat dazu auch die erhöhte Aufmerksamkeit speziell zum Insektensterben. Dies hatte zur Folge, dass sich viele Menschen neu für die Imkerei interessieren - Honigbienen zu halten, ist eben deutlich einfacher als das Züchten von Gottesanbeterinnen (gibt es wirklich!) oder das Anlocken von Hirschhornkäfern. 😉

Dies ist sicher einer der Gründe, weshalb die Imkerei derzeit eine gewissen Zulauf hat. Viele der Leute, die darüber nachdenken mit diesem Hobby zu beginnen, tun das nicht wegen des Honigs - sondern wegen des ökologischen Gedankens. Und manche davon fragen sich, ob diese Art der Bienenhaltung (das ist dann ja keine Imkerei!) nicht auch mit einem Minimum an Aufwand möglich ist - und wenn ja, wie. Dazu sollen an dieser Stelle ein paar Betrachtungen angestellt werden.

Die ersten Überlegungen in dieser Richtung sehen oft so aus: "eigentlich brauchen wir den Honig nicht", "wir wollen nur ein wenig beobachten", "wir wollen was für die Natur tun, aber nicht so viel Zeit investieren", "bei naturnaher Haltung geht es den Bienen besser und wir haben weniger Arbeit". 😏  Es gibt einige Konstruktionen die suggerieren, dass man das so machen kann, wenn man nur -die meist recht teuren- speziellen Bienenbeuten kauft; gerne zusammen mit ebenso teuren Kursen, wie man damit richtig umgehen soll.

Auch, wenn das oft auf den ersten Blick toll klingt, ist eine gewisse Skepsis angebracht. Der Grund ist, dass sich die Honigbiene im Laufe der letzten etwa 150 Jahre durch menschlichen Eingriff vom Wald- mehr in Richtung Haustier entwickelt hat (obwohl sie selbstverständlich nicht mit Hund oder Katze zu vergleichen ist). Mit dieser Entwicklung und der Anpassung an menschliche Bedürfnisse kamen einige Probleme, die näher zu betrachten sind, bevor man sagt "ich überlasse die Bienen einfach sich selbst und schaue was passiert".

Als Analogie soll hier mal die Haltung von Hühnern dienen. Dicht an dicht im Stall maximiert Erträge, befördert aber auch Krankeiten. Einfach frei laufen lassen? Das ist tatsächlich 'naturnah', aber je nach Örtlichkeit wird man auch Raubvögel, Wiesel oder Füchse anlocken - die gehören ebenfalls zur Natur.😮 Also schütze ich sie mit einem Hühnerstall? Sicher, aber dann muss ich sie füttern und tränken - sie können sich das Futter dann ja nicht mehr selber suchen.

So ähnlich ist das auch mit Bienen, wenngleich die Probleme etwas anders gelagert sind. Es gibt hier mehrere Themen, an dieser Stelle sollen die 3 wichtigsten kurz angerissen werden: Varroa, Faulbrut und Schwärme. Alle Themen treffen alle Bienenhalter, ganz egal ob Hobby, Erwerb oder Nebenerwerb; ob naturnäher oder konventionell. Womit hat hat also der 'passive Bienenhalter' zu rechnen?

1) Schwärme

Dies ist ein Natur'problem'. Alle Lebewesen wollen sich vermehren. Die Honigbiene ist da keine Ausnahme und ihre Methode ist die Teilung des Volkes im Frühjahr: ein Teil des Volkes schwärmt ab. Nicht jedes Volk tut das jedes Jahr, aber die Wahrscheinlichkeit ist -ohne Eingriff des Imkers- je nach Volk und Jahr sicher bei 50:50 oder grösser. Während der Imker auf dem Land das noch schulterzuckend abtun und sich überlegen kann, was er tut, hat der Stadtimker in bebautem Gebiet gegebenenfalls zunächst ein Problem mit beunruhigten Nachbarn. Dies ist die eine Seite. Die andere ist: der Schwarm will und muss sich eine neue Behausung suchen. Aber geeignete hohle Bäume gibt es kaum noch, speziell in der Stadt werden diese aus Gründen der Verkehrssicherheit lange vorher gefällt. Ein Schwarm, der hier nicht wieder eingefangen wird, ist im Prinzip zum Tode verurteilt. Manchmal kann ein Schwarm auch in halb verfallenen Gebäuden oder Zwischenböden Unterschlupf finden. Oder im Rolladenkasten des Nachbarn. 😣 Doch selbst wenn es keine Menschen dort gibt (die das dann oft nicht lustig finden), haben die Bienen keine Chance - wegen der Varroamilbe.

2) Varroabehandlung

Das Problem ist menschengemacht. Dieser Parasit (eine Milbe) kommt aus Asien, wo die dortigen Honigbienen den Umgang damit gewohnt sind. Als Ende der 1970er Jahre jemand auf die glorreiche Idee kam, in Europa asiatische Bienen einkreuzen zu wollen, kam die Varroa als blinder Passagier mit. Und die europäische Honigbiene hat noch heute Probleme damit. Leider sind die tödlich: der Vermehrungszyklus der Varroa ist an Bienen angepasst, die sich wehren können. Für Bienen, die sich nicht wehren können, sind es einfach zu viele. Darum stirbt ein unbehandeltes Volk an Varroabefall, entweder im Herbst des Schwarmjahres oder spätestens im Jahr darauf. Wenn 'naturnah' bedeutet 'keine Varroabekämpfung' ist dies schon fast ein Todesurteil. Es gibt Theorien über varroaresistente Bienen in Wäldern oder spezielle Beuten, die für Varroaresistenz sorgen sollen. Bewiesen werden konnte das bisher aber nicht.

3) Amerikanische Faulbrut

Auch dieses Problem hat überwiegend der Mensch zu verantworten. Die amerikanische Faulbrut verbreitet sich vorwiegend über Erreger im importierten Honig, der ihn zu über 80% enthält. Für Menschen ist das (geschmacklich und gesundheitlich) unbedenklich, aber die Bienen sterben daran - und der Erreger ist sehr resistent gegen... eigentlich alles. Wenn ein Volk betroffen ist, müssen alle Völker am Stand grundsaniert werden (bis vor nicht allzu langer Zeit galt sogar die Regel, dass eine Tötung aller Völker erforderlich war). Und es wird ein 'Faulbrut gefährdeter Bezirk' um den Stand festgelegt, was für die in diesem Kreis betroffenen anderen Imker auch kein Vergnügen ist.

Somit ist ein theoretischer 'passiver Bienenhalter' grundsätzlich eine Gefahr für seine Bienen und auch für die Bienen anderer Leute.😓 Übrigens: alle Bienenvölker müssen immer dem Veterinäramt gemeldet werden, genau wie z.B. Hühner! Egal, ob man Honig entnimmt oder nicht. 😦 Wer also kein Imker sein will (in dem Sinn, dass er sich nicht um seine Bienen kümmern will), sollte von diesem Ansatz Abstand nehmen.

Zumal dieser auch sonst wenig sinnvoll ist: die Naturschutzverbände sehen diese Entwicklungen mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist erfreulich, wenn die Aufmerksamkeit auf das generelle Problem des Insektensterbens gelenkt wird. Aber: gerade die Honigbiene stirbt garantiert nicht aus! Sie ist das weltweit (!) drittwichtigste (!!) Nutztier (!!!) der Menschen, darum wird es sie geben, so lange es Menschen gibt. Aber aus Sicht eines Gleichgewichtes in der Natur sind andere Insekten bzw. -gruppen mindestens genauso wichtig. 👈

Was kann man also tun, wenn man Bienen im Garten, aber nicht die Arbeit dazu haben will? Geht das überhaupt? Antwort: ja das geht! Jemand anders muss sich um die Bienen kümmern. Im Prinzip kann man das auf zwei Arten lösen:

1) Durch einen befreundeten Imker oder eine Anfrage beim örtlichen Imkerverein kann man einfach einen Platz zur Verfügung stellen, meist für Ableger. Der Imker stellt die Bienen auf und arbeitet damit, man selber hat die Möglichkeit der Beobachtung, aber ansonsten nur soviel Arbeit, wie man investieren möchte. Sofern sich ein Imker findet, kann dies eine relativ günstige Möglichkeit sein.

2) Man kann Bienenvölker auch mieten. Hier gibt es verschiedene Modelle, vom professionellen, deutschlandweiten Dienst bis zum örtlichen Nebenerwerbsimker. Hier ist Mitarbeit weder erforderlich noch erwünscht. Dies kostet allerdings Geld, näheres dazu bitte selber im Netz suchen: wie üblich wird hier keine Werbung verlinkt.

Wie man das hinbekommen kann, wird noch in einem separaten Artikel in diesem Blog vertieft (Link).

Ansonsten kann man auch versuchen, z.B. Wildbienen anzusiedeln. Auf diesen Seiten werden dazu Insektenhotels im Eigenbau (Link) und das Hummelhaus (Link) vorgestellt. Und natürlich sind passende insektenfreundliche Pflanzen dazu eine gute Idee, Beratung dazu gibt es beim Gärtner oder Baumarkt des Vertrauens und auf vielen Seiten im Netz.

Links:

Nachfolgeartikel: Genauere Beschreibung der beiden Möglichkeiten (Link)
Video R. Sester: Wesensgemäss imkern (Link)
Imkerverein Nienburg: Webseite (Link)

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