Schon seit längerer Zeit spukte die Idee herum, den bereits vorhandenen Hybrid gegen ein technisch fortgeschritteneres Fahrzeug zu tauschen. Alleine, vor etwa 3 Jahren gab es -ausser einem eher misslungenen Plug-In-Hybriden- keine Angebote. Die vorhandenen Elektrofahrzeuge waren weder vom Preis, von der Reichweite oder vom Platzangebot eine Option.
Mittlerweile hat sich die Situation aber grundlegend geändert. Beinahe täglich gibt es Verlautbarungen über neue Modelle und technische Fortschritte. Es gibt -dank BAFA auch bezahlbare- Modelle, die sogar verfügbar sind. Ob diese die Anforderungen an das eigene Fahrprofil erfüllen, stand aber als Frage noch im Raum. Mit einer einfachen Probefahrt 'um den Block' sind solche Fragen aber nicht zu klären. Daher wurde ein entsprechendes Fahrzeug angemietet. Eine Präferenz bezüglich der Marke oder Ähnlichem gab es übrigens nicht, sondern es ging schlicht um
- a) einen passenden Zeitraum für einen ausführlichen Test (ein bis zwei Wochen) und
- b) um ein Fahrzeug, welches zumindest in etwa in das persönliche Fahrprofil passen sollte.
Gefunden wurde schliesslich ein Spezialvermieter für Elektroautos, der gelegentlich Sonderangebote hat (Link). Diese kommen durch Mietlücken zustande, wenn zwischen zwei Langzeitmieten ein Fahrzeug für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung steht. Das ist recht unflexibel, da dieser Zeitraum nicht verändert werden kann und deswegen gibt es einen Rabatt für Leute, die dann genau in diese Lücke springen. Weitere Vorteile waren, dass das Fahrzeug in Hannover stand, leicht mit ÖPNV zu erreichen und eine Abholung/Rückgabe am Wochenende möglich war.
Konkret handelte es sich um einen Hyundai Kona mit 64kw Batterie, bei Übergabe zeigte der voll geladene Akku eine Reichweite von 484 Kilometern an. Schon auf den ersten Metern nach der Abholung wurde klar, dass man gut daran tut, nicht zu agressiv auf das Gas- pardon: Strompedal zu treten. Mit so einem Anzug kann man fast jeden Verbrenner an der Ampel stehen lassen, aber man fährt auch leicht mal zu schnell, zumal es im Wagen immer so leise bleibt, dass man den Unterschied nicht bemerkt.
Der erste Abschnitt war der Weg zurück nach Nienburg, etwa 50 Kilometer, die mit dem ansonsten ganz normalen Fahrverhalten zurückgelegt wurden (100 km/h wo möglich, ansonsten entlang den jeweiligen Begrenzungen). Auf so einer Strecke kann man sich übrigens auch gut mit den zahlreichenen Assisstenten vertraut machen, die speziell bei Stromern Serie sind. Wieder zu Hause war die Reichweitenanzeige noch etwas weniger zurückgegangen, als es die tatsächlich zurückgelegten Kilometer erwarten liessen: fast 450 Kilometer Rest wurden angezeigt.
Am nächsten Tag dann die erste... nennen wir es 'Mutprobe' 😅 (dass das Quatsch ist, wurde erst später klar). Ein Ausflug zu einem bekannten schwedischen Möbelhaus sollte es sein. Die Fahrt sollte dabei über die Autobahn 352 (Flughafen) führen, weil dort auf einigen Kilometern das Fahrzeug ausgefahren werden kann. Die etwa 70 km verliefen ruhig, die Reichweitenanzeige sank bis zur Ankunft um etwas mehr, nämlich etwa 80 km auf 360 km. Dafür wurde das Fahrzeug aber auch hinter der Flughafenabfahrt auf die Maximalgeschwindigkeit von 165 km/h gebracht. Die 10 km forderten ihren Tribut - nicht anders als bei einem Verbrenner.
Bei Ankunft in Grossburgwedel dann gleich mal eine positive Überraschung. Ikea hat einige Ladesäulen installiert. Diese waren teilweise belegt, aber es gab noch genug freie Plätze - sogar direkt vor dem Eingang. Auch der allererste Versuch zu laden wurde unverzüglich von Erfolg gekrönt. Obwohl es sich um eine Wechselstromsäule handelte, war dort ein Kabel angebracht. Dose auf (die ist beim Kona vorne), einstecken, läuft. Die Restreichweite betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 350 km.
Bei Abfahrt nach geschätzt 2 Stunden waren dann schon wieder über 400 km drin. Das in der Zeit nur so wenig geladen wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass das gefahrene Modell Wechselstrom nur mit etwa 7,4 kwh laden kann: der Kona teilt sich die Plattform mit einem Verbrenner, die bei reinen Stromern üblichen Ladeleistungen an Wechselstrom von 11 bzw. 22 kw sind darum nicht erreichbar. Nach der etwas zahmeren Rückfahrt (130 km/h auf der Autobahn) verblieben dann noch 356 km im Akku, wieder nur eine geringe Abweichung zur tatsächlichen Strecke. Damit war der Trip -insgesamt etwa 140 km- fast umsonst. 😇
Danach folgten noch einige Tage Stadtverkehr und schliesslich der angepeilte Kurzurlaub in Buchholz i.d.N. Weil die Lademöglichkeiten am Haus derzeit noch beschränkt und die (in Nienburg schon recht zahlreichen) Ladesäulen ohne Karte recht teuer sind (und wegen des zwischenzeitlich gestiegenen 'Mutpegels' 😅) wurde auf eine Aufladung bis zu der Tour gänzlich verzichtet. Die Reise begann somit mit etwa 70% Restkapazität. Die Strecke führte über die B215 und Posthausen auf die A1 Richtung Hamburg. Somit wurde dann etwa die Hälfte der Strecke auf der Autobahn soweit möglich mit Tempo 130 zurückgelegt. Da die Autobahn frei war und es praktisch keine Begrenzungen darunter gab, verlief die Fahrt recht zügig. Trotzdem erwies sich die Vorhersage als recht akkurat: von den rechnerisch vorher kalkulierten 220 km blieben in der Realität noch 212 km übrig. Dass sich die Vorhersagen und die tatsächlichen Verbräuche nicht zu stark unterscheiden bzw. die Reichweitenanzeige keine zu starken Sprünge macht, ist durchaus wichtig.
Übersicht der gefahrenen Strecken:
Anz. Start tats. km Anz. Ende
H-NI | 484 | 50 | 448 |
NI-Ikea | 438 | 70 | 348 |
Ikea-NI | 440 | 70 | 366 |
NI-Buchh. | 340 | 120 | 212 |
Dann folgte vor Ort das erste Mal die Suche nach einer Ladesäule. Benutzt wurde dafür die vom Vermieter empfohlene App 'Plugsurfing'. Diese enthält nicht nur ein Verzeichnis der Ladesäulen, sondern auch die Möglichkeit, Zahlungen abzuwickeln - doch dazu gleich mehr.
Zunächst wurde ein Parkplatz in Buchholz angefahren, um das Laden auszuprobieren. Notwendig war das mit über 200 km Rest (s.o.) noch nicht, aber die Idee war ja, sich erstmal nur das Prozedere anzusehen. Die verzeichnete Säule wurde im ersten Anlauf nicht gefunden: der Parkplatz war etwas grösser und der Standpunkt nicht genau zu sehen. Ein Parkwächter zeigte auf den Ort und hinter einem hohen SUV- konnte sie dann geortet werden. Da es kein spezielles Hinweisschild gab, war die Säule voll verdeckt. Zu einer Ladung kam es dann aber noch nicht, weil beide Ladeplätze belegt waren. Aber wie gesagt: mit über 200 km Rest kein Problem.
Auf dem Weg zum Hotel kam dann auch die zweite in der Stadt verzeichnete Säule in Sicht, diesmal ohne Probleme vor dem Rathaus leicht aufzufinden. Und schliesslich -auf dem Gelände eines nahegelegenen Schnellrestaurants- kurz vor dem Hotel Säule Nummer 3. Alles in allem also gute Voraussetzungen. Nach dem Check-In wurde der Wagen dann an der Säule geparkt und die Anleitung darauf studiert. Aha, die Nummer einer Hotline. Also angerufen und der freundliche Mensch sagte:
1) Säule per App freischalten mit QR-Code.
2) Danach (!!) das Kabel anschliessen. Muss man auch erstmal wissen.
Also wurde die App aufgerufen. Ergebnis: "Bitte scannen Sie den QR-Code und geben Sie die Nummer der Säule ein". Die Internetverbindung auf dem Handy war einwandfrei, also Nummer eingegeben und... "Nummer unbekannt". Hmm, dann eben die andere Nummer (die Säule hatte zwei Ladepunkte) und... "Nummer unbekannt". Zeit für den nächsten Anruf bei der Hotline.
Der nächste freundliche Mensch, meinte diesmal "komisch, ich kann die Nummern in meiner Datenbank nicht sehen". Dann "Moment, ich habe noch eine Idee". und schliesslich "Aha, die Säulen sind kostenfrei. Schliessen Sie bitte einfach das Kabel an, das sollte dann funktionieren." Ich gebe zu, ich konnte es kaum glauben - kostenloses Laden, direkt neben dem Hotel? Egal: Kabel angeschlossen und... Ladevorgang begonnen. Ich war begeistert und liess den Wagen gleich stehen. Am nächsten Morgen war er wieder voll. Perfekt! 😎 Während des Aufenthaltes waren keine weiteren Ladevorgänge erforderlich, alle Touren vor Ort wurden mit der einen Ladung gemacht. Nur in der Nacht vor der Abfahrt wurde das Fahrzeug noch einmal dort geparkt. Mit dem vollen Akku fand die Rückfahrt spasseshalber über die Bundesstrasse statt, weswegen der Akku bei Rückgabe in Hannover am Ende nach ungefähr 180 km immer noch etwa 2/3 Ladung hatte. Super! Und übrigens: im Gegensatz zu Verbrennern muss man Stromer nicht mit vollem Akku zurückgeben. 👌
Fazit: die Elektrofahrerei an sich hat voll überzeugt. Immer mit einem Auge auf der Reichweitenanzeige ist etwas, was man sich schnell abgewöhnt. Das Finden und Benutzen von Ladesäulen, sowie die Abrechnung (falls man mal bezahlt: in diesem Fall waren die insgesamt 700 km ja umsonst!) sind noch verbesserungsbedürftig. Ebenso muss man über eine Infrastruktur zu Hause nachdenken, denn dort werden wohl die meisten Ladevorgänge stattfinden.
Ebenso ist das Vorgehen, zunächst so ein Fahrzeug zu mieten, empfehlenswert. Dadurch verliert man die Berührungsängste und bekommt ganz gut heraus, was praktikabel ist und was nicht. Man sollte das als eine Art Versicherungsprämie sehen, die einen vor einer möglichen Fehlinvestition bewahren kann.
Die Ladevorgänge auswärts sind allerdings verbesserungsbedürftig, auch wenn es noch (!) etliche kostenlose Säulen gibt. Dem Vernehmen nach wird daran bereits gearbeitet, sowohl von Seiten der Anbieter als auch des Gesetzgebers. Es ist davon auszugehen, dass es innerhalb etwa Jahresfrist keinerlei Probleme mehr mit der Bezahlerei geben wird. Vielleicht schaltet ja Tesla seine Säulen für Nicht-Teslabesitzer frei, das wäre das Allerbeste. 😈 Das das hervorragend funktionieren kann, wurde ja anlässlich der Umstellung der Teslasäulen von v2 auf v3 bereits unfreiwillig festgestellt (Link).
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