Sonntag, 11. Oktober 2020

Bienen Philosophie: Die Einschränkungen durch Bienenhaltung

 "Der Imker hat kein Ostern - der Imker hat Saison"

- Ralf Sester

Bei allem, was man über das Hobby Imkerei sagen kann, sollte man gelegentlich auch über die Einschränkungen nachdenken, die es auf den Rest des Lebens haben kann. Und zwar möglichst, bevor man mit der Bienenhaltung beginnt; das hilft, diese "so habe ich mir das aber nicht vorgestellt"-Momente zu vermeiden. Dank Corona und der zusätzlichen Freizeit, die dadurch im richtigen Moment (d.h. Frühjahr) zur Verfügung stand, haben wir den sonst möglichen Terminstress dieses Jahr überhaupt nicht bemerkt. Das kann aber auch völlig anders aussehen. 😆

Richtig bewusst wurde es uns, als wir eine Folge der (übrigens sehr empfehlenswerten) Reihe des Berufsimkers Ralf Sester auf Youtube ansahen (Link auf den Kanal). Die fand in 2020 immer Montagabend als Livestream statt und eine Woche vor Ostern fragte ein Zuschauer an, ob am kommenden Ostermontag die Veranstaltung dennoch stattfinden würde. Darauf kam ohne Zögern die oben stehende Antwort. Ein Grund, hier mal ein paar Worte über Terminzwänge in der Imkerei zu verlieren. Mehrzahl: von denen gibt es einige! 😦

Ganz allgemein muss man verstehen, dass Honigbienen -obwohl es sich nicht um echte Haustiere handelt- nicht komplett alleine gelassen werden dürfen. Man muss sich regelmässig um sie kümmern, etwa wie um einen Hund oder eine Katze - auch wenn man an Honig oder Wachs keinerlei Interesse hat. Soll heissen: selbst wenn man keinerlei Honig entnimmt, ist die Idee 'hinstellen und anschauen und sonst nix' generell eher eine schlechte.

Über das Bienenjahr gibt es gewisse Fixpunkte; bei einigen dieser Punkte kann man weniger Arbeit investieren, bei anderen eher nicht. Daher soll hier eine (stark gekürzte) Übersicht aufgeführt werden, welche Arbeiten wann anfallen und was das Risiko ist, wenn man diese nicht zeitgerecht (!!) ausführt. Zu beachten ist, dass fast alle Punkte abhängig vom Wetter sind und es sich daher nur um ungefähre Angaben handelt. Zudem gibt es natürlich auch eine Fixierung auf Niedersachsen und eine Betriebsweise mit Segeberger oder Zanderbeuten.

WAS: Frühjahrsdurchsicht
WANN: ca. Mitte März
WARUM: Prüfung des Volkszustandes, Prüfung des Futtervorrates, aussortieren unhygienisch gewordener Waben.
RISIKO: verschimmelte Waben gefährden die Volksentwicklung, sowohl in der Gesundheit, als auch im Platzbedarf. Unter ungünstigen Umständen kann das Volk verhungern.
TERMIN: Verschiebung um eine oder zwei Wochen zugunsten von Urlaub ist möglich, sofern kein Futtermangel herrscht. Ansonsten ist eine Notfütterung erforderlich.

WAS: ersten Honigraum aufsetzen
WANN: ca.Ende März/Anfang April.
WARUM: Das Volk fängt an zu expandieren und braucht mehr Platz. Zeitraum ändert sich nach Ort/Wetter/Trachtbeginn.
RISIKO: Nektar wird im Brutraum eingetragen. Die Volksentwicklung wird gebremst, der Honigertrag verringert sich. Die Gefahr eines späteren Schwarms erhöht sich sehr stark.
TERMIN: Eine Verschiebung um eine oder zwei Wochen zugunsten von Urlaub ist mit Risiko möglich. Theoretisch kann man auch auf Honigräume ganz verzichten; das Volk bleibt dann zunächst klein, weil durch eingetragenen Nektar der Platz für die Brut fehlt.

WAS: Schwarmkontrolle
WANN: ca. Ende April bis Ende Mai
WARUM: Das Volk fängt an zu expandieren und braucht mehr Platz, es entwickelt sich Schwarmstimmung.
RISIKO: Ein Teil des Volkes schwärmt ab und nimmt Honigvorräte mit. Der Schwarm muss unter Aufwand eingefangen werden oder stirbt ansonsten höchstwahrscheinlich an schlechtem Nistangebot oder Varroa. In Stadtlagen kommen manchmal besorgte Nachbarn dazu. Der zurückbleibende Teil benötigt eine Weile, um den Verlust zu kompensieren (ca. 3-4 Wochen Brutpause).
TERMIN: Wöchentliche Kontrolle in der genannten Zeit, je nach gewählter Betriebsweise. Eine Verschiebung ist bei konventioneller Betriebsweise praktisch nicht möglich. Im Einzelfall kann der Umstieg auf die kombinierte Wildbaumethode eine Option sein (Link).

WAS: Abschleudern Frühjahr
WANN: ca.Ende April/Mitte Mai (Frühjahrsernte)
WARUM: Die Honigräume sind voll, ausser man hat regelmässig überwacht und erweitert.
RISIKO: Nektar wird im Brutraum eingetragen. Die Volksentwicklung wird gebremst, der Honigertrag verringert sich. Durch räumliche Enge gegebenenfalls erhöhte Schwarmgefahr. Die Bienen hören bei vollen Räumen auf zu sammeln, auch wenn noch Tracht vorhanden ist.
TERMIN: Verschiebung um eine oder zwei Wochen zugunsten von Urlaub ist möglich. In diesem Zeitraum wird die Entwicklung des Volkes gestoppt.

WAS: Abschleudern Sommer
WANN: ca. Mitte Juli (Sommerernte)
WARUM: Die Honigräume sind voll, ausser man hat regelmässig überwacht und erweitert.
RISIKO: Nektar wird im Brutraum eingetragen. Der Termin zur Behandlung gegen Varroa verzögert sich bei Verschiebung ebenfalls, das kann sehr gefährlich werden. Die Bienen hören bei vollen Räumen auf zu sammeln, auch wenn noch Tracht vorhanden ist.
TERMIN: Eine Verschiebung zugunsten von Urlaub ist nur unter Inkaufnahme eines hohen Risikos möglich, weil sich dadurch automatisch die Varroabehandlung verschiebt. Das Abschleudern an sich könnte durchaus verschoben werden.

WAS: Varroabehandlung Sommer
WANN: ca. Ende Juli
WARUM: Die Vermehrung der Varroa tritt jetzt in die Expansionsphase. Das ist eine abhängige Tätigkeit. Sie kann aber nicht beginnen, bevor der letzte Honig abgeschleudert wurde.
RISIKO: die Varroabehandlung ist zwingend erforderlich, um einen möglich Verlust des Volkes zu verhindern. Die Varroas entwickeln sich jetzt rasant, während das Bienenvolk auf dem Rückzug ist.
TERMIN: nach dem letzten Abschleudern, sobald Wetter und Behandlungsweise es zulassen. Wetterunabhängige Behandlungsweisen sind vorzuziehen, sofern Urlaub zu dieser Zeit ein Dauerthema ist. Bei wetterabhängigen Behandlungsweisen (z.B. Schwammtuch) kann eine Verschiebung gleichbedeutend mit dem späteren Völkerverlust sein.

WAS: Beginn Einfütterung
WANN: ca. Ende Juli (nach/parallel mit Varroabehandlung). Auch diese Aufgabe ist erst nach dem letzten Abschleudern möglich.
WARUM: die Bienen finden je ja nach Umgebung und Wetter nur noch wenig Futter und der Wintervorrat wurde durch den Imker entnommen. Darum kann schnell Futtermangel entstehen.
RISIKO: besonders kleinere Völker mit weniger Flugbienen können schnell verhungern oder Opfer einer Räuberei werden, denn der Mangelzustand betrifft ja alle Völker in der Umgebung. Somit sind auch alle auf der Suche nach Futter.
TERMIN: nach der ersten Fütterung ist eine Lücke bis zur nächsten für Urlaub normalerweise kein Problem, vor allem mit der richtigen Menge. Die erste Fütterung nach dem Abschleudern selbst duldet aber in der Regel keinen Aufschub, das Risiko von Verhungern und Räuberei ist sehr hoch.

WAS: Varroabehandlung Winter
WANN: ca. November/Dezember
WARUM: die Bienen gehen nach mehreren Tagen unter Null Grad in eine Brutpause. Wenn 21 Tage später die gesamte Brut ausgelaufen ist, kann Oxalsäure geträufelt oder gesprüht werden.
RISIKO: eine Behandlung ist (gesetzlich) nur bis Ende Dezember und bei Brutfreiheit möglich. Nichtbehandlung erhöht das Verlustrisiko im Frühjahr.
TERMIN: dieser Termin ist wetterabhängig und kann nicht verschoben werden, da bei milden Wintern mittlerweile oft nur noch eine einzige Gelegenheit geboten wird. Sofern die Temperaturen über einen längeren Zeitraum so niedrig sind, dass das Volk brutfrei bleibt, gibt es hier ein Zeitfenster für Urlaub. 

Das ist nur eine allgemeine Übersicht, die Termine können sich je nach Witterung, Standort, Betriebsweise und Verlauf des Bienenjahres verschieben. Ganz allgemein kann man aber erkennen, dass sich Urlaube speziell im Mai oder Anfang August eher nicht empfehlen. Wer das trotzdem macht, muss entsprechend vorplanen und im Zweifel darauf gefasst sein, dass die Völker nicht überleben.

Man kann hoffentlich erkennen, dass z.B. Urlaube in der Osterzeit und im Sommer grundsätzlich eine Herausforderung darstellen. Über diese Einschränkungen sollte man sich im Klaren sein, bevor man mit der Bienenhaltung anfängt. Ansonsten kommt man schnell in dieselbe Situation wie Leute, die nach Weihnachten den neuen Hund im Tierheim abgeben. Bitte vorher drüber nachdenken: auch Bienen sind Lebewesen!



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